Pharmazeutische Herstellung im Überblick: Von der Idee zum Arzneimittel
Zuletzt aktualisiert: 20 November 2025
Als pharmazeutische Herstellung wird der gesamte, streng regulierte Ablauf verstanden, der Wirkstoffe und Hilfsstoffe in verkehrsfähige Arzneiformen überführt. Dies umfasst die Synthese, Aufarbeitung, Formulierung, Abfüllung, Verpackung, Kennzeichnung (inkl. Serialisierung, wo erforderlich) und die finale Produktfreigabe. Die Einhaltung definierter Produktspezifikationen, eine lückenlose Rückverfolgbarkeit und validierte Prozessparameter bilden die Grundlage für eine gleichbleibende Qualität und Patientensicherheit. Zusätzlich verlangen internationale GMP-Vorgaben, die in die jeweilige nationale Gesetzgebung implementiert sind, umfangreiche Dokumentationen sowie regelmäßige Prüfungen durch die zuständigen Behörden.
Ziele der pharmazeutischen Herstellung
Das primäre Ziel besteht darin, sichere und wirksame Arzneimittel in reproduzierbarer Qualität bereitzustellen. Darüber hinaus stehen auch die Vermeidung von Kontaminationen, die Minimierung von Chargenabweichungen und die Sicherung einer belastbaren Lieferkette im Mittelpunkt des Prozesses. Zusätzlich sollen die Herstellprozesse skalierbar, wirtschaftlich und flexibel gestaltet sein, um auf Bedarfsschwankungen und technologische Entwicklungen effektiver reagieren zu können. Schließlich ist die Einhaltung regulatorischer Vorgaben unverzichtbar, sodass Änderungen im Herstellprozess stets risikobasiert bewertet und dokumentiert werden.
Abgrenzung: sterile/aseptische vs. nicht sterile Herstellung
Sterile Herstellverfahren richten sich an Arzneiformen, die frei von lebensfähigen Mikroorganismen sein müssen, etwa Injektions- und Infusionslösungen oder Ophthalmika. Wo immer möglich, wird gemäß EU-GMP-Annex 1 die terminale Sterilisation des bereits verschlossenen Endbehältnisses bevorzugt, sofern das Produkt die Belastung durch den Sterilisationsprozess stabil übersteht. Kann das Produkt nicht terminal sterilisiert werden, kommen aseptische Herstellprozesse zum Einsatz: Alle Komponenten (Wirk- und Hilfsstoffe, Lösungsmittel, Primärpackmittel, Verschlüsse) werden vorab sterilisiert und anschließend in einer kontrollierten aseptischen Umgebung zusammengeführt und abgefüllt.
Nicht-sterile Verfahren betreffen Arzneiformen wie Tabletten, Kapseln, Salben oder orale Lösungen, bei denen die Einhaltung definierter mikrobiologischer Höchstmengen gemäß den geltenden Arzneibüchern (z. B. Ph. Eur./USP-Monographien) ausreichend ist. Hier gelten ebenfalls umfassende Anforderungen an Reinheit und Stabilität, jedoch mit anderen Prüfparametern. Die Auswahl der Methode richtet sich nach der Produktsensitivität, Stabilität unter Sterilisationsbedingungen und dem identifizierten Risiko für den Anwender.
Herstellungsumgebung und Reinraumtechnik
Die bauliche und technische Gestaltung von Produktionsbereichen wird entlang klassifizierter Reinraumstufen geplant, wobei die Luftführung, HEPA-Filtration, Druckdifferenzen und Luftwechselraten die zentralen Prozessparameter darstellen, gemäß EU-GMP und ISO 14644 (Klassifikation, Monitoring). Dabei sind alle Raumflächen, Wand- und Bodenmaterialien so auszulegen, dass die Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen effektiv durchführbar sind und Kontaminationsnischen vermieden werden.
Personen- und Materialflüsse sind strikt zu trennen; dafür werden Schleusen, Umkleideprozeduren sowie definierte Wegeführungen implementiert, um Kreuzkontaminationsrisiken zu minimieren. Zusätzlich werden Temperatur- und Feuchteprofile überwacht, weil klimatische Schwankungen die Stabilität empfindlicher Produkte beeinträchtigen können.
Prozessübersicht
Die Fertigung erfolgt in klar gegliederten Prozessabschnitten, die jeweils validierte Arbeitsanweisungen und Dokumentationen erfordern. Beginnend mit den Wareneingangsprüfungen werden die Identität und Qualität aller Rohstoffe festgestellt und die Lagerbedingungen verifiziert. Anschließend erfolgt die Wirkstoffaufbereitung und Formulierung; hierbei werden Misch-, Dispergier- oder Lösungsschritte kontrolliert, um homogene Endmischungen zu erzeugen.
Abhängig vom Produkt erfolgt die Sterilisation, Sterilfiltration (für flüssige Produkte) oder die aseptische Abfüllung. Alle Abfüll- und Verschließprozesse laufen in definierten Hygienebereichen ab und sind häufig automatisiert ausgeführt, um manuelle Eingriffe zu reduzieren. Abschließend geschehen die Primär- und Sekundärverpackung und es werden alle erforderlichen Kennzeichnungen angebracht und umfangreiche Endprüfungen durchgeführt, welche die Identität, den Inhalt, die Reinheit und die Stabilität mittels validierter, pharmakopöekonformer Methoden (z. B. Ph. Eur./USP) belegen.
Wichtige Prozess- und Prüfpunkte
- Wareneingang: Probenentnahme, Identitätsprüfung und Freigabe dokumentieren die Qualität der Ausgangsstoffe.
- Prozesskontrolle: Die Messung kritischer Parameter wie Temperatur, Mischzeiten oder Durchflussraten gewährleistet einen konstanten Ablauf.
- Inprozessprüfungen: Online- und Offline-Tests verhindern die Weiterverarbeitung fehlerhafter Zwischenprodukte.
- Endprüfung: Analytische Methoden prüfen Gehalt, Verunreinigungen, Sterilität und verschiedene physikalische Eigenschaften vor der Freigabe.
Validierung und Qualifizierung
Die Anlagenqualifizierung und Prozessvalidierung belegen, dass Equipment und Verfahren innerhalb der definierten Grenzen reproduzierbare Ergebnisse liefern. Die Qualifikationsstufen Design Qualification (DQ), Installation Qualification (IQ), Operational Qualification (OQ) und Performance Qualification (PQ) bilden dabei die Standardstruktur für die Nachweisführung.
Die Methodenvalidierung prüft analytische Verfahren entsprechend ICH Q2(R2) hinsichtlich Selektivität, Genauigkeit, Präzision, Nachweis- und Bestimmungsgrenzen sowie ihrer Robustheit. Regelmäßige Revalidierungen und Kalibrierungen während des Anlagenlebenszyklus sichern zudem fortlaufend die Leistungsfähigkeit.
Qualitätssicherung und Regularien
Das Qualitätsmanagementsystem integriert SOPs, Änderungs- und Abweichungsmanagement sowie CAPA-Prozesse in die tägliche Praxis. Die GMP-Anforderungen legen Mindeststandards für Personal, Räumlichkeiten, Ausrüstung und Dokumentation fest. Die Umsetzung aller Maßnahmen wird durch Inspektionen und Audits ständig überwacht.
Darüber hinaus müssen alle Chargendokumentationen revisionssicher geführt, elektronische Aufzeichnungen mit Audit-Trails gemäß EU-GMP Annex 11 und FDA 21 CFR Part 11 abgesichert und Freigabeentscheidungen nachvollziehbar dokumentiert werden. Risikomanagement nach ICH Q9 (R1) priorisiert Kontrollen anhand ihrer Relevanz für die Produktsicherheit und den Patientenschutz.
Lieferkette, Lieferantenqualifikation und Rückverfolgbarkeit
Die Qualität beginnt beim Lieferanten, weshalb Audits, Musterprüfungen und vertragliche Spezifikationen Bestandteil der Lieferantenqualifikation gemäß EU-GMP Kapitel 5 sind. Transparente Lieferketten ermöglichen schnelle Reaktionen auf Abweichungen und reduzieren das Risiko von Versorgungslücken. Eine Rückverfolgbarkeit von Rohstoffen bis hin zur einzelnen Charge des Endprodukts ist unerlässlich, um im Fehlerfall betroffene Chargen rasch identifizieren und zurückrufen zu können.
Beispiele aus der Praxis
Feste Darreichungsformen wie beispielsweise Tabletten und Kapseln durchlaufen Granulierung, Tablettierung und Beschichtungsschritte, die verschiedene physikalische Parameter beeinflussen. Bei diesen Schritten stehen Freisetzungsprofile und Stabilität im Fokus.
Sterile Flüssigkeiten für parenterale Anwendungen erfordern aseptische oder terminale Sterilisationskonzepte sowie geeignete Primärverpackungen, welche die Stabilität und Anwendersicherheit sicherstellen. Biopharmazeutika erfordern oftmals schonende Aufarbeitungs- und Abfüllverfahren, da biologische Wirkstoffe gegenüber Hitze oder chemischen Reagenzien besonders empfindlich reagieren.
Zukunftsperspektiven und technologische Trends
Die Integration digitaler Systeme, Echtzeit-Analytik (Process Analytical Technology, PAT), kontinuierlicher Fertigungsverfahren und modularer Anlagenkonzepte fördert die Effizienz, die Transparenz sowie die Flexibilität in der Produktion.
Automatisierung sowie Single-Use Systems (SUS) verringern Kontaktrisiken und beschleunigen Rüstzeiten, während die Datenintegrität und Cybersecurity neue Handlungsfelder für die Qualitätsverantwortlichen darstellen. Zusätzlich zwingt die Individualisierung von Therapien die Branche zu neuen, skalierbaren Produktionsansätzen, die kleine Losgrößen wirtschaftlich darstellen können.
In Summe bildet die pharmazeutische Herstellung ein vielschichtiges Zusammenspiel aus technischen, organisatorischen und regulatorischen Maßnahmen, deren konsequente Anwendung die Grundlage für eine sichere und wirksame Arzneimittelversorgung darstellt. Eine konstante Überwachung, valide Prozesse und vollständige Dokumentationen sind erforderlich, um Qualität und Patientensicherheit dauerhaft zu gewährleisten. Fortlaufende Innovationen in Technologie und Prozessführung tragen dazu bei, die Effizienz zu steigern und gleichzeitig die hohen Anforderungen an Sicherheit und an die Einhaltung aller Vorgaben zu erfüllen.